Lebensbuchautorin Saskia:
„Es zeigt, dass es auch normal ist, zwei Mütter zu haben.“
Was hat dich motiviert, an dem Projekt „Geschichten, die Mut machen“ teilzunehmen?
Saskia: Motiviert hat mich vor allem die Idee, selbst ein Buch zu machen, das ein Geschenk für meine Kinder ist. Dass ich unsere Familiengeschichte auf diese Weise festhalte, von der Zeit, als meine Frau und ich uns kennengelernt haben bis heute.
Ich wollte meinen Kindern eine Erinnerung für immer schaffen und ihnen mitgeben, dass sie etwas ganz besonderes sind. Gleichzeitig konnte ich dadurch etwas für mich selbst tun und kreativ sein. Motiviert hat mich auch das Zusammensein mit anderen Regenbogenfamilienmüttern, mit denen ich mich austauschen konnte.
Magst du das Buch beschreiben?
Saskia: Der Titel lautet Zwei Träume wurden Wirklichkeit weil unsere Kinder absolute Wunschkinder sind und wir davon geträumt haben, zwei Kinder zu bekommen, die auch Geschwister sind. Wir haben uns einen Samenspender gesucht, der der genetische Vater von beiden ist. Und diesen Kindern ist das Buch gewidmet. Es ist chronologisch aufgebaut, also wie wir uns kennengelernt haben, was wir früher gemeinsam erlebt haben, unsere Reisen, und wie der Wunsch entstand, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Wie wir einen Spender gesucht und endlich gefunden haben. Wie unsere Kinder auf die Welt gekommen sind, bis heute.
Was war dir beim Schreiben wichtig?
Saskia: Mir war wichtig, dass die Texte auch von Kleinkindern verstanden werden, denn unsere Kinder sind noch sehr jung, und dass viele Bilder und Fotos von uns mit dabei sind. Es war mir wichtig, viel Gefühl in die Geschichte zu bringen, was wir empfinden und wie sehr wir uns freuen, dass wir die beiden Kinder haben. Es ist somit auch ein emotionales Herzstück.
Gleichzeitig bin ich auch ein kleiner Chronist. Ich mache gerne Fotobücher, weil das, was man in der Hand hält, gesichert ist. Wenn die Menschen weg sind und nicht mehr leben, dann hast du einfach nichts. Und wenn die Erinnerung verblasst, ist es gut, alles schwarz auf weiß zu haben.
Hast du über Dinge geschrieben, die deine Kinder noch nicht wussten?
Saskia: In dem Buch gibt es ein Foto vom Spender. Das war ein langer Prozess, wir haben ja auch bei unseren Treffen diskutiert, ob wir darüber schreiben oder nicht. Die Gruppe hat mich dabei zum Nachdenken angeregt. Es war ein großer Schritt für meine Frau und mich, ein Foto von ihm im Buch zu zeigen. Aber wir sind sehr froh: Unsere Familien haben nun zum ersten Mal ein Bild von ihm gesehen und wir stehen jetzt einfach dazu. Unsere Kinder haben ihn schon als Baby gesehen, aber bewusst erst in diesem Jahr.
Wir haben in erster Linie an sie gedacht, und wollten, dass sie selbstbewusst damit umgehen und ihn nicht außen vorlassen. Wir treffen ihn einmal im Jahr und er wird definitiv in den nächsten Jahrzehnten irgendwie auch da sein. Wenn andere Kinder in der Kita fragen „Habt ihr einen Papa?“, sollen sie sagen, „Nein, wir haben eine Mami und eine Mama. Das sind unsere Eltern“.
Aber wir wollen ihnen trotzdem mitgeben, dass sie einen genetischen Vater haben. Sie sollen ein Foto von ihm haben und wir haben seine Eckdaten ausgedruckt, wann er geboren wurde, wo er lebt usw., damit sie später etwas in der Hand haben. Wir sagen ihnen, er hat sie uns zum Geschenk gemacht, und dass er der genetische Vater ist, weil es einen Mann und eine Frau geben muss, damit ein Kind entsteht.
Wir wollten den Kindern nicht das Gefühl geben, dass das etwas ist, das man besser nicht erzählt, sondern ihnen einen selbstbewussten Umgang damit vermitteln. Das Ganze war noch einmal wie ein kleines Outing vor der Familie und vor den Freunden: Okay, das ist er.
Ohne dieses Buch hätten wir das Bild unseren Verwandten und Freunden vielleicht gar nicht gezeigt, sondern es einfach gelassen. Es ist gut, dass jetzt keine Fragen mehr kommen. Damit würden wir jedes Mal in eine Entscheidungssituation hineingedrängt werden, und das ist weg. Sie wissen es jetzt, fertig.
Wie war es, als du deinen Kindern das Buch gegeben hast?
Saskia: Sie waren total begeistert und haben sich sehr gefreut. Sie haben sich die Bilder angeguckt, haben gesagt „da sind Mami und Mama, und da sind wir alle vier“. Sie sind noch klein und gucken sich erst mal die Bilder an. Aber sie begreifen noch nicht alles. Ich lese ihnen vor, aber ich denke, wenn sie ein paar Jahre älter sind, lesen sie das noch einmal anders.
Wer darf sich das Buch anschauen?
Saskia: Menschen, die uns nahe stehen und denen wir vertrauen. Als meine Mutter es durchgelesen hat, hat sie geweint. Es war sehr emotional für sie, das zu lesen. Sie war total begeistert. Auch bei meiner Tante habe ich ähnliche Reaktionen wahrgenommen. Das Buch löst sehr viel Rührung und Gefühle in unserer Familie und im Freundeskreis aus.
Welche Funktion kann dieses Buch deiner Meinung nach für Regenbogenfamilien haben?
Saskia: Es kann den eigenen Kindern Kraft geben und ihnen nochmal zeigen: Wir lieben euch, ihr seid unsere Wunschkinder. Es vermittelt einen offenen Umgang mit dem Thema, wie sie entstanden sind. Und es zeigt, dass es auch normal ist, zwei Mütter zu haben. Laut zweier Studien sehen 90 % der 20-24-Jährigen Regenbogenfamilien heute als Familienform an, wobei es bei den 60-Jährigen nur 25% sind.*
Wir sind selbst mit diesem Thema konfrontiert. Die Familie von Charlotte ist sehr offen und liebevoll, aber in meiner Familie werden – vor allem von den Urgroßeltern – Unterschiede gemacht. Und das tut weh. Da wünsche ich mir, dass auch die ältere Generation offener wird. So heißt es: „Wie geht es denn unserem kleinen Buben?“, denn Aaron ist mein leiblicher Sohn. Luise gehört demnach nicht zur Familie. Wenn ich sage, „Ich habe zwei Kinder“ erhalte ich als Antwort „Ja, ich weiß, aber er wird doch mein kleiner Bube bleiben.“
Wir sind eine Familie, aber es wird nicht akzeptiert, dass dieser kleine Mensch, also meine Tochter Luise, dazugehört. Es werden Unterschiede gemacht und das ist sehr schmerzhaft. Weil das von einem Menschen kommt, also von meiner Oma, die ich sehr liebe und die mir sehr viel gegeben hat. Und dann macht sie Unterschiede zwischen meinen beiden Kindern.
Ich wünsche mir, dass sie sich über meine beiden Kinder gleichermaßen freuen und dass da in ihrem Kopf ein Schalter umgelegt wird. Wenn die Kinder zu ihnen Uroma und Uropa sagen, dann sind sie die Urgroßeltern, egal ob das Biologie ist oder nicht. Genauso wie für mich mein Opa mein Opa war, auch wenn er nicht mein biologischer Großvater war. Er wurde von allen Opa genannt, und damit war er mein Großvater, fertig. Ich wünsche mir, dass die Schranken in den Köpfen älterer Menschen abgebaut werden. Urenkel sind doch auch ein Geschenk und eine Chance.
Konnte das Buch etwas bewirken bei deiner Oma?
Saskia: Nein, überhaupt nicht. Ich weiß von anderen Regenbogenfamilien, dass sie ähnliche Probleme in ihren Familien haben. Oder auch Fragen kennen wie: „Von wem von euch beiden ist denn nun das Kind?“. Sogar bei Leuten, die ich eben erst kennenlerne und die ich sympathisch finde, muss ich mich dazu äußern.
Wir sagen, dass beide Kinder von uns sind, aber das reicht nicht. Dann wird hinterhergefragt, „Aber welches Kind ist denn nun von wem?“, ohne Feingefühl. Mein Sohn und meine Tochter sind mein Sohn und meine Tochter und wir leben als Familie zusammen. Sie bekommen beide meine Liebe und wenn ich mal sterbe, erben beide Kinder zu gleichen Teilen alles von mir.
Ich wünsche mir, da einfach in Ruhe gelassen zu werden. Diese Reaktionen sind unfair und erschweren es uns, eine Familie zu sein. Unsere Kinder sollen keine Unterschiede zwischen uns machen: das ist die leibliche und das ist die nicht-leibliche Mutter. Und uns vielleicht, wenn sie in der Pubertät sind sagen, „Du bist nicht meine Mutter, du hast mir gar nichts zu sagen“. Davor hat man ja auch Angst, dass es so weit kommt.
Und das wird durch dieses Fragen und rechtfertigen müssen befeuert, von teilweise fremden Menschen.
Erlebt ihr auch andere Reaktionen auf euch als Familie?
Saskia: Ja, natürlich, auch von Freunden und Kollegen, die sich mit uns freuen und für die es ganz normal ist, dass wir eine Familie sind.
Eine Freundin hat geweint, als sie das Buch gelesen hat. Sie war mit ihrem Sohn zu Besuch. Später, als sie zuhause waren, hat einer seiner Kumpel abfällig über Lesben gesprochen, und er sagte: „Na und, ist doch schön, soll doch jeder einen Partner haben, egal ob Mann oder Frau. Hauptsache sie lieben sich.“
Der Junge hatte unsere Kinder kennengelernt und sich auch das Buch mitangeschaut. Er war total beeindruckt von uns als Familie. Und dann hat er das wirklich verteidigt. Ja, der Junge ist nach dem Besuch bei uns mit ganz anderen Gefühlen nach Hause gefahren. Es hat mich sehr bewegt, als ich gehört habe, dass er unsere Lebensform verteidigt hat. –
Aber auch unsere Kita ist super. Sie wissen, wer Mama und Mami ist und sind sehr offen und gut informiert. Auch die Kinder dort gehen ganz normal damit um. Bis jetzt gab es dort noch keine negativen Erfahrungen. Allerdings hören wir in unserem Freundeskreis auch von anderen Erfahrungen, z.B. dass sich Erzieherinnen abfällig über Kinder geäußert haben, die durch Insemination empfangen wurden. Das hat uns schockiert. Es gibt ja auch Schulungen zum Thema Diversity am Arbeitsplatz, das wäre in dem Fall dringend notwendig.
Gibt es noch etwas, was du abschließend sagen möchtest?
Saskia: Es war toll, dass es die Möglichkeit zu diesem Projekt gab und dass ich daran teilnehmen konnte.
* Gründler, S. & Schiefer, K. (2013): Familienleitbilder unter dem Regenbogen. In: Bevölkerungsforschung Aktuell, 33, 6: 10-16; Allensbacher Studie – Monitor Familienleben 2012.
Der Name der Autorin wurde auf Wunsch geändert. Das Interview wurde von Isabel Morgenstern geführt.